Esposende/Marinhas - Viana do Castelo

 

Na klasse! Habe ich mich gestern noch gefreut, dass wir nun endlich mit ganz vielen anderen in einem Vielbettgelege schnurcheln dürfen? Ja war ich denn des Wahnsinns?! - Aber mal ganz im Ernst: Wenn man sich schon einen Wecker auf 6.00 Uhr morgens stellt, sollte man doch zumindest so viel Grips im Kopf haben, dass man sich KEINE Ohrstöpsel in die seitlich angelegten Lauschlöcher stopft! Wir sind alle glockenwach, während der Besitzer des Weckers selig weiterschlummert.

 

Nun gut, meckern hilft auch nix und wer früh unterwegs ist, ist auch früh angekommen. Oder, wie mein Babba immer sagte: Um 6 muss man los, sonst ist der Tag schon halb vorbei!

 Gestern fand ich es ja ganz angenehm, mal ein bisschen anders als nur auf Holzstegen zu gehen. Heute vermisse ich sie ein bisschen, denn die gelben Pfeile führen uns ausschließlich durch das Hinterland und ganz viel über Pflaster. Das ist freilich auch mal nett, aber ... Naja gut, so isses halt und ich beschließe, mich an den Mauern zu erfreuen, zwischen denen wir entlangmarschieren. - Die Portugiesen sind schon lustig: Sie benutzen keine Zäune, sondern umschließen alles mit Gemäuer - nicht nur ihre Gärten und Grundstücke, sondern auch Felder und Wälder. Zwischendrin lassen sie enge Fahrwege, bei denen ich mich immer frage: Wenn jetzt ein Auto von vorne und hinten kommt - wie werden die sich einig? Und wo bitteschön soll ich mit meinem dicken Rucksack hin ausweichen? - Der Gedanke an einen größeren Wagen lassen die Sträßchen gar nicht erst zu, aber ich habe auch unterwegs einen Betonmischer in einer Gasse gesehen, in die hätte ich mich mit meinen Mini nicht hineingetraut!

 

Während wir so vor uns hintrutschen, habe ich Zeit euch schnell zu erzählen, wie wir auf die Idee gekommen sind, diesen Camino zu laufen:  Thomas und ich sind ja 2011 zum ersten Mal gemeinsam an der Kathedrale in Santiago angekommen. Das war dann auch immer meine Endstation. Natürlich pflupfelt es mich schon lange, bis zum Ende der Welt weiterzugehen - aber ohne Thomas würde sich das in meinem Bauch nicht richtig anfühlen.

 

 Aaalso habe ich mir von ihm gewünscht, dass er nach Santiago fliegt, mich dort einsammelt und mit mir nach Finisterre läuft.

 

Diese Idee ist gut, aber leider ohne den Pilger in Thomas gemacht. "Nur" ans Kap zu laufen, das geht für ihn nämlich gar nicht. Wenn schon nach Santiago kommen und weiterlaufen, dann doch bitte mit einem Camino davor, weil sonst fühlt sich das ja nicht richtig an - also in seinem Bauch jetzt.

Vom Camino Portugues hatten wir schon eine ganze Menge gehört, denn viele unserer Freunde vom Pilgerstammtisch sind ihn bereits gegangen und kriegen immer ganz verträumte Äuglein, wenn sie an ihn denken. Das steckt an wie ein Virus, der sich alleine durch Blickkontakt überträgt - zumindest dann, wenn man schon durch die Influenza Pilgeritis geschwächte Abwehrkräfte hat.

 

  Vom Küstenweg wusste ich übrigens bis Anfang dieses Jahres selbst noch gar nicht, dass es ihn gibt. Ich habe von ihm zum ersten Mal auf einer Pilgerbörse in Frankfurt gehört und dachte: Nee, ist das eine tolle Idee - Meer, Strand, Salzwasser, vielleicht hier oder da eine Palme und doch auf dem Weg nach Santiago. Das ist ein richtiger Urlaubscamino!

 

Nun denn, das Meer ist jetzt hier nicht unbedingt so direkt greifbar, aber wir wissen, dass es ganz in der Nähe ist. Und schaut euch doch mal diesen Weg an: Endlich einmal kein Kopfsteinpflaster, sondern Naturweg! Und noch dazu sooo schön!

 

Sowieso sind wir irgendwie total entspannt unterwegs sind. Wir marschieren zwar munter drauflos, sind aber, wenn einem von uns nach einem Päuschen ist, immer gerne für ein Viertelstündchen in der Sonne hockend zu haben. Am liebsten machen wir das selbstverständlich in Bars, aber wenn es gerade keine gibt, vermissen wir zwar unser Tässchen Kaffee, aber können gut auch ohne es rasten. - Ich genieße das ganz unverschämt!

 

In Castelo de Neivas Ortsteil, der zu allem Überfluss Santiago heißt, finden wir die Igreja de Santiago - die Kirche des Heiligen Jaköbchens und sind erst einmal total enttäuscht, weil sie verschlossen ist, bis fröhlich ein Mitpilger aus ihrem Seiteneingang herausgestiefelt kommt. Manchmal denke ich wirklich: Heiliger Bimbam, wie kann man nur so ... Ach ja, wir sind halt nunmal so und haben uns im Laufe unseres Lebens an unsere Dussligkeit gewöhnt.

 

Im unserem Lieblingsheiligen gewidmeten Gotteshaus begegnen wir freilich ihm höchstselbst und finden auch noch einen Stempel, den wir sofort in unsere Credencials drücken, bevor wir uns zu einer kleinen Siesta in die Sonne legen. Ach Kinders, pilgern kann so schön sein!

 

Nachdem wir einmal rund um den Friedhof geführt wurden  und noch ein guuutes Stück durch Land und Flur gestupfelt sind, kommen wir an das Mosteiro de Sao Romao do Neiva, das ich ziemlich beeindruckend finde. Noch beeindruckender ist aber eine Kapelle genau gegenüber oben auf dem Hügel, zu dem eine kerzengerade Treppe hinaufführt.

Leider habe ich über diese Kapelle nirgends Informationen gefunden, mein Foto ist ziemlich unscharf und zum hinaufsteigen war ich ehrlich gesagt einfach zu faul, so dass ich sie euch weder zeigen noch etwas darüber erzählen kann. Wenn jemand von euch mehr weiß, dann schickt mir doch bitte einfach eine Nachricht oder schreibt einen Kommentar auf die Übersichtsseite des Blogs!

 

In Vila Nova de Anha finden wir noch eine dem Heiligen Jaköbchen gewidmete Kirche, in der auch eine Maria steht, wie sie gestern an uns vorübergetragen wurde. Also war das wohl ein Feiertag, der zumindest hier rundherum gefeiert wurde.

 

Am Ende müssen wir über 1,1 km lange Brücke nach Viana do Castelo. Für Menschen wie Thomas und mich, die furchtbar gerne über Brücken gehen, ist das eine echte Herausforderung, aber wenn man stur geradeaus guckt, geht es. Dann müssen wir "nur" noch unter der Brücke sofort hindurch (hört sich ganz einfach an, oder? Tatsächlich standen nicht nur wir vor der unüberwindbaren Bahntrasse wie die Ochsen vor dem Berg ... oder vielmehr der Mauer) und stehen auch schon vor dem Karmelitenkloster, in der wir uns anmelden müssen. Die Herberge selbst befindet sich einmal rechts um die Ecke ... und da sind schon ganz viele von letzter Nacht. Das ist das, was ich an Herbergen so liebe!, wenn man so ein bisschen wie nach Hause kommt!

 

Zum "Auslaufen" machen wir noch einen Stadtbummel ... den wir uns aber gut auch hätten sparen können, denn die Kirchen werden gerade geschlossen und an den wichtigsten Punkten führt der Camino eh direkt vorbei. Ob man sich die  jetzt noch abends oder erst morgens von außen ansieht, ist eigentlich gehüpft wie gesprungen.

 

Den Abend beschließen wir bei einem Fläschchen Wein vor der Herberge und in einem sehr schönen und regen Austausch über die Tagesetappe. Ich muss immer ein bisschen grinsen, wie unterschiedlich Menschen die Wege doch empfinden.

 

Aber eines muss ich hier mal sagen, weil mir diese vier Füße hier echt in die Augen gestochen sind: Kinders, man pflegt seine Treterchen nicht erst auf dem Weg, sondern schon vorher! Mit Schrunden und dicken Hornhäuten auf einen Jakobsweg zu gehen, geht gar nicht! Da muss man sich nicht wundern, dass sich unterirdische Blasen bilden, die dann echt Probleme machen. Wenn man startet, müssen die Füße weich und schwartenfrei sein; wenn es dann doch Blasen gibt, dann sind die weiter oben und müssen nicht ... uuuh, das wollt ihr nicht wissen!