Vila Praia de Ancora - A Guarda

Kinders, wir haben heute Nacht geschlafen wie die Gänschen! Heute dürfen wir auch wieder, von der elend langen Strecke vor Caminha an der Straße entlang und zum Nase zuhalten langweilig einmal abgesehen, wieder ganz viel am Meer entlangpilgern. Ich liebe das! Und ich finde es total interessant, weil es wirklich dauernd anders aussieht: Mal sind diese Holzstege, die über die blühenden Dünen führen, dann ist so viel Grün vor dem Meer, wie hier auf diesem Foto, nur einen Sprung weiter ist es felsig und karstig und die Wellen brechen sich mit einem riesigen Schwups an Steinen ... es ist einfach nur schön!

 

Nachdem wir dann endlich auch diese lange Straßenstrecke - und Kinders, die ist wirklich langweilig! Ich habe mich immer wieder umgesehen, aber da war nix, was irgendwie Leben in die Stumpfsinnigkeit gebracht hat: mal ein Tisch mit Bänken, mal ein Bildstock und ein einzelner und sehr ausgewachsener Eukalyptusbaum und sonst nur ... Ach, lassen wir das.

 

Nachdem wir diese Strecke also hinter uns gebracht haben, begrüßt uns Caminha sehr schön mit dieser alten Pforte. 

 

Wir wissen, dass die Abfahrtzeiten der Fähre, mit der wir nach Spanien übersetzen wollen, von der Tide abhängt und gehen erst einmal zum Anleger gucken, "wie, wann, wo" (das ist kein Spruch von unserer Oma, sondern von Lüttchen, unserem jüngsten Leben). Es dauert noch eine Weile bis zur nächsten Fahrt, also sehen wir uns ein bisschen die Stadt an, die so alt und schön ist, dass sie als Gesamtkunstwerk unter Denkmalschutz steht. 

 

Weil wir ja noch nicht wissen, dass wir übermorgen schon wieder hier sein werden, und wir wirklich ganz lange Zeit haben, nehmen wir uns die entsprechend und trinken erst einmal auf dem Hauptplatz eine Tasse Kaffee.

 

Dann schlendern wir zur Herberge und werfen einen kurzen Blick hinein. Sie ist schon ziemlich nett, aber sie befindet sich in einem Keller. Mir macht das ein bisschen Unbehagen. Wenn es euch auch so geht, schaut sie euch erst an und geht in euch, ob das für euch OK ist.

 

Weil ich weiß, dass hier auch viele lesen, die diesen Weg selbst einmal gehen möchten, muss ich jetzt mal kurz sehr eindringlich und rot werden:

 Bitte erkundigt euch auf alle Fälle noch vor dem Einchecken in der Herberge, wie die Fähre im Moment fährt! Montags zum Beispiel hat sie fast immer Ruhetag und es kann gut sein, dass sie wegen Ebbe nur sehr bedingt ablegen kann. Dann hockt ihr womöglich bis zum nächsten Nachmittag oder noch länger hier fest, obwohl wir gut heute noch hättet übersetzen können. Bis zur nächsten Herberge in A Guarda sind es nur 3 km und ein Dütz und ihr könnt euch ja bei der Fahrt ein bisschen verschnaufen!

 

 Die einzige Alternative zur Fähre ist der lange Fußweg am Fluss entlang bis zur nächsten Brücke und dann wieder zurück (ca. 30 km!) oder nach Valenca und dort auf den Zentralweg - auch eine Möglichkeit, aber ...

 

Am jenseitigen Ticketschalter kriegen wir übrigens unseren ersten spanischen Stempel!

 

Die Streckenführung nach A Guarda ist wirklich klasse! Wir pilgern bis auf das letzte Stückchen auf Naturwegen durch den Wald, an einem ganz verwunschenen Brunnen vorbei (ich schwöre: Hätte hier ein Frosch gequakt, ich hätte mein Glück einmal probiert!) (blöd wäre nur gewesen, wenn der Frosch ein Frosch geblieben wäre und Thomas sich dafür in eine dicke, fette Kröte verwandelt hätte) (womöglich noch mit Warzen obendrauf) (obwohl ...) (... sooo viel besser ...) (:D).

 

Die Herberge in A Guarda ist klasse und der Hospitalero ein echter Schatz! Wir kriegen jeder eine Stecknadel, die wir dorthin setzen, wo wir wohnen, und wer noch keine Muschel hat, kriegt hier eine. Wir haben zwar schon welche, aber ich kriege trotzdem noch eine, die mir sehr wertvoll ist. Der Herbergsvater erzählt uns nämlich, dass er selbst, von zwei Jahren krankheitsbedingter Unterbrechung abgesehen, viele Jahre zu Fuß unterwegs war. Sein schönster Weg sei der Camino de San Salvador gewesen! Meine Lieben, ich sage euch: Solche Dinge schlagen Brücken und wir sind ruckzuck so verstrickt in  Erinnerungen, dass wir gar nicht merken:

Ich sabbele fließend Spanisch, was ich ja eigentlich nicht kann, und höre ihm begeistert zu, was er mir erzählt, was unter anderen Umständen ein echtes Problem für mich wäre, weil er eben sehr gut Spanisch spricht (na klar!) und in seinem Enthusiasmus völlig vergisst, die Ausländerbremse einzulegen. Aber das ist eine der schönen Besonderheiten, die ich besonders auf den Caminos immer wieder erlebe: Wenn man nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Herzen hört, gibt es keine unterschiedlichen Sprachen, dann versteht man sich einfach! - Naja gut, am nächsten Tag wundere ich mich schon ein bisschen darüber, dass ich Muskelkater in den Armen habe! Und Thomas blaue Flecke am ganzen Körper - er ist halt nicht schnell genug aus meiner Fuchtelweite herausgehüpft, als ich ach so fließend in Spanisch parliert habe! Selbst schuld!

 

Natürlich gibt es heute keine Hamburger. Hallo!, wir sind in der Hauptstadt der Langusten! Und dank unseres Hospitaleros wissen wir, wo wir die so lecker und günstig wie möglich verspeisen können, bevor wir wieder zur Herberge zurückstupfen und einen wunderschönen Abend mit einem Fläschchen Vino tinto (wir sind ja jetzt in Spanien und da gibt es keinen Vinho verde mehr) und im Getratsche mit unseren Mitpilgern verbringen.

 

 

Ich weiß, Nächte in Vielbettgelegen sind schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber für mich machen sie auch einen ganz erheblichen Teil des Caminos aus. Tagsüber bin ich furchtbar gerne alleine. Viele, die mich kennen, können sich das gar nicht vorstellen, aber ich halte es sehr gut mit mir alleine aus. Im Gegenteil: Ich brauche dieses Alleinsein, um meine Gedanken hören und ihnen ein bisschen nachhängen zu können. Aber am Abend möchte ich mich austauschen, möchte über ein Stück Strecke jubeln oder auch schimpfen, möchte an den Menschen um mich herum teilhaben. Und ich finde es immer sehr lustig: Wenn ein Tag so richtig anstrengend war, dann ist man nicht einfach nur müde und will ins Bett, sondern gerade dann sind die Gespräche besonders lebhaft! Manchmal flucht, schimpft und lacht man dann ein bisschen miteinander und ich denke immer, wenn ich einmal mit einem Menschen gelacht habe, dann ist es mir nachts auch gar nicht mehr schlimm, wenn er ... geräuschvoll atmet. Wenn ich so überlege, fallen mir nicht viele Nächte ein, in denen ich mich vom Schnarchen anderer gestört gefühlt habe. 

 

Manchmal werden aus diesen fröhlichen Abenden aber auch Gespräche und Momente, die echte Geschenke sind.