Mit dem Bus von Redondela zurück nach Mougas auf den Küstenweg

Ich stehe geschniegelt und gebügelt an der Haltestelle und wundere mich  schon ein bisschen darüber, dass der Bus zehn Minuten zu früh kommt. Das gibt es ja nicht einmal in Deutschland! Und in Spanien ... muss man sich sowieso darauf einstellen, dass Zeitangaben hier einen ganz anderen Begriff haben. "In zehn Minuten" kann hier durchaus auch "in einer Stunde" heißen und "ich komme gleich" ist ein anderes Gleich, als wir es erwarten. Was wir nicht erwarten, ist, dass "gleich" auch heißen kann, dass man erst noch duschen und frühstücken muss, die Kinder zur Schule bringen, einkaufen, das Mittagessen vorbereiten, kochen, den Tisch wieder abräumen und daaaaaaannn ... joa, dann könnte "gleich" irgendwann hineinpassen. Ich habe einmal erlebt, dass eine Pilgerin, die in der Herberge etwas vergessen hatte, fast den ganzen Tag mit "gleich" verbrachte und bei mir selbst war vor zwei Jahren "in zehn Minuten" mehr als eine Stunde Warten im strömenden Regen. Wer also wirklich das Bedürfnis nach "Entschleunigung" hat, ist in Spanien bestens aufgehoben.

 

Also hätten bei mir eigentlich alle Alarmleuchten aufblinken und laut tuten müssen, aber ich wundere mich einfach nur ein bisschen und steige ein, fest davon überzeugt, dass alle Wege nach Rom und alle Busse nach Vigo an den Busbahnhof fahren ... was jetzt beides nicht stimmt, weil ganz viele Wege führen auch nach Santiago oder Waghäusel oder sonstwohin und dieser Bus fährt zwar nach Vigo, hält aber irgendwo ganz am Ende des Hafens, wo es ziemlich ... Nein, ich bin ja wirklich unerschrocken und stupfele stundenlang und ohne jede Bedenken alleine durch Wälder und Wiesen, aber hier muss ich jetzt gerade nicht unbedingt als Frau alleine sein ... und schon gar nicht mit Rucksack auf dem Buckel ... und schon gar nicht ich, die ich schon in der Schule bei den Bundesjugendspielen nur Anwesenheitspflicht hatte, weil meine sportlichen Leistungen so unterirdisch waren, dass man an die Wertungszettel gut noch einen halben Meter Papier hätte anheften müssen, um auch sie und zwar ganz, ganz, gaaaanz unten zu erfassen. Neinneinnein, hier möchte ich nicht aussteigen! ... wofür meine Busfahrerin jedes Verständnis hat. Sie nimmt mich nicht nur wieder mit zurück weg von diesen nicht wirklich vertrauenerweckenden Gefilden, sondern lässt mich auch noch wild dort aussteigen, wo ein Bus zu dem von mir gewünschten Ziel fährt. Ist das lieb!

 

Meine Lieben, wahrscheinlich hätte ich zu Fuß ganze fünf Minuten gebraucht, um dorthin zu kommen, aber ich weiß es ja nunmal nicht und warte auf den Bus, der mich dann einmal kreuz und quer durch Vigo fährt, bevor wir den Busbahnhof (das ist nämlich die letzte Station vor der, in der ich zugestiegen bin) erreichen. Mein Bus nach Mougas ist freilich längst auf dem Weg dorthin und ich muss zwei Stunden auf den nächsten warten. Nur gut, dass es ein Café gibt, in dem ich mich verweilen kann, denn draußen ist es ziemlich ungemütlich schattig.

 

Eigentlich hatte ich vor, noch ein Stück zu laufen, wenn ich nach Mougas komme, aber das ist bei meiner späten Ankunft nicht mehr sinnvoll. Bis zur nächsten Herberge schaffe ich es auf keinen Fall mehr. Also bleibe ich in der Herberge, in der Thomas und ich auch waren, darf sogar wieder in meinem Bett schlafen, vertrödele den Nachmittag  und teile mir das Zimmer am Ende auch nur mit Sandra, ein junge Frau aus Deutschland, die mir in den nächsten Tagen ziemlich ans Herz wachsen wird.

 

Und wir haben schon einen lustigen Einstieg miteinander: Als sie ins Zimmer kommt, bin ich gerade am Lesen und will sie auch nicht dabei stören, sich zu sortieren, zu duschen und zu waschen. Ich mag das nämlich ehrlich gesagt auch nicht so gerne, wenn ich irgendwo ankomme und dann gleich reden soll. Dann steht mir nicht der Sinn nach Gespräch, sondern nach entstinkenden Maßnahmen und ob meine Wäsche wohl bis zum Abend trocken wird.

 

Dann treffen wir uns im Waschraum, wo ich mich ihr, so leicht ... bekleidet (naja, für ganz pudelnackig war einfach das Handtuch zu viel) auch nicht unbedingt aufdrängen möchte. Und dann treffen wir uns vor der Bar - eine guuute Gelegenheit, die wir beide sofort beim Schopf ergreifen und ein paar lustige Stunden miteinander verbringen. Zwischendurch plagt uns das schlechte Gewissen, weil unser jetzt Zweiweibzimmer genau das, nämlich ein Zweiweibzimmer, bleibt, während sich die anderen alle in den beiden anderen Schlafräumen knäuelen, aber dafür können wir ja nun beide nix (trotzdem macht es ein blödes Gefühl im Bauch). Sandra ist auch Wiederholungstäterin und wir tauschen munter unsere Erfahrungen aus. Ich genieße es total: Ich brauche über keine englischen Vokabeln und die richtige Grammatik nachzudenken (im Deutschen ist die mir egal und ich setze mich geflissentlich über alle Regeln hinweg, im Englischen ist sie mir dagegen komischer Weise total wichtig), kann schwätzen, wie mir das Mundwerk gewachsen ist, wir quasseln und quasseln und hier und da tropft ein kleines Tränchen aus unseren Augen, weil wir so lachen!

 

Gut, ich habe unterwegs ein bisschen vor mich hingebroddelt, weil das mit dem Bus  nicht geklappt hat, wie ich mir das dachte. Aber ich bin mir sicher: Da hat das Heilige Jaköbchen seine Finger im Spiel gehabt! Wäre die Fahrt nicht so unendlich lange gewesen, wäre ich angekommen und losgelaufen und ich hätte Sandra nie getroffen. - Das ist eines der Dinge, bei denen ich ein bisschen denke, dass Jakobswege schon ein bisschen magisch sind. Oder wie unsere Oma immer sagte: Tritt dem Teufel auf den Fuß, du weißt nie, wofür es gut ist! - Ich habe mit großem Gezeter auf den Fuß getreten, aber es war soooo gut!