Armenteira - Villanova - Padrón - Pontevedra

Der Tag beginnt genauso schön, wie der gestern aufgehört hat:  mit einem Wanderweg an einem Bach entlang, der einfach nur Spaß macht und nicht nur die Füße hüpfen lässt. Kinders, ist das schön hier! So könnte ich den ganzen Tag laufen!

 

Etwas später wird das Bächlein zu einem richtigen Fluss und der Fußweg geht leider nicht mehr so herrlich über Stock und Stein, aber doch noch sehr schön und bequem weiter.

 

Noch ein bisschen später wandere ich direkt neben einer vielbefahrenen Nationalstraße und mache mir Musik in die Ohren. So wohlbeschallt ist es richtig nett.

 

Heideröslein!, erinnert ihr euch an die ersten Walkman? - Da waren die Kassetten schon x mal größer und schwerer und mit viel weniger Musik! Und dann gab es Bandsalat und man musste das Gezwutzel aus dem Tonkopf herausfisseln und mit einem Kugelschreiber wieder aufdrehen und dann ist das gerissen und man hat es mit Tesafilm geklebt. Wie lange ist das her? - Mindestens fünf gefühlte Leben!

Ich muss gerade ein bisschen grinsen, weil das mit der Musik in den Ohren immer auch ein diskussionswürdiges Thema im Forum ist: Mit Stöpseln hört man ja gar nicht die Natur! - Aber Hallo!, ohne Stöpsel würde ich sie bei dem Autogetöse auch nicht hören!

 

Wisst ihr, was mir bei der Gelegenheit auch auffällt? Das hier ist offensichtlich, die Strecke drängt sich dafür auch geradezu auf, ein Walking- und Joggingweg und mir kommen ganz viele Spanier, die oft auch schon ein gutes Stück älter sind als ich, entgegen und kaum jemand hat keine Stöpsel in den Ohren. Gut, ich weiß nicht, welche Musik die hören, aber hören tun sie alle welche. - Ich stelle mir gerade vor, wie mein Papa mit Mireille Mathieu und Ernst Mosch über den Camino stapft.

 

Ich habe sowieso ganz oft den Eindruck, dass die Menschen in Spanien viel aufgeschlossener und aktiver sind als in Deutschland.

 

Da muss ich an meinen Babba denken: Wir haben immer an einer Winterlaufserie mitgemacht und unsere Namen waren in der Einlaufliste immer ganz leicht zu finden, nämlich ganz unten. Wenn wir angekommen waren, konnten die Veranstalter guten Gewissens das Ziel schließen. Damals gab es, glaube ich, noch nicht einmal schon Walkmen, aber das Bild, wie mein Babba mit Stöpseln in den Ohren zu Mireille Mathieu und Ernst Mosch durch den seligenstädter Wald rockt ...

Irgendwann geht es weg vom Flüsschen und noch eine ganze Weile quer durch's Geräusch, aber dann sehe ich endlich durch einen lichten Pinienwald das Meer glitzern. Und nachdem ich noch eine ganze lange Weile um alle möglichen Campingplätze herumgestiefelt bin und den einheimischen Damen beim Muschelsuchen zugeguckt habe, komme ich endlich, endlich nach Villanova ... und es wird spannend, denn ich weiß zwar, dass das Boot nach Pontecesures bald abfährt, aber ich habe noch kein Ticket zum Mitfahren. Das soll ich an der Herberge bekommen und zu der muss ich erst einmal hinstiefeln. Ich habe zwar Durst, aber irgendwie würde mir mein Kaffee besser schmecken, wenn ich es schon hätte, also stiefele ich zur Albergue ... und stehe vor verschlossenen Türen. Ich gucke mich genau um, aber ich finde auch keine Telefonnummer. Hm. Und jetzt?

 

Weil mir gerade nichts Gescheiteres einfällt, gehe ich zum Hafen und hoffe, dass mich der Bootsfahrer auch ohne Ticket mitnimmt. Dabei muss ich an so einer Touristenbimmelbahn vorbei, ihr wisst schon, diese Dinger, die Menschen halt so durch die Straßen kutschieren und Sightseeing machen. Da steht auch ein Herr dabei, dem ich einfach unterstelle, dass er der Fahrer ist. Er guckt mich zwar ein bisschen herausfordernd an, aber für einen Flirt ist er mir eindeutig zu alt, also ignoriere ich ihn.

 

Am Hafen entdecke ich andere Pilger, die, wie sich dann herausstellt, aus Australien kommen. Und während wir so die ersten Worte miteinander wechseln, kommt der Herr von der Bimmelbahn zu uns, doch bevor ich noch zu Ende denken kann, was der denn wohl von mir will (Hallo! Verpackt sehe ich ja noch ganz passabel aus, aber gleub mir, Schätzelein, unverpackt willst du ganz bestimmt nicht mehr mit mir anbandeln! Heideröslein!, so viel wie es braucht mich schönzutrinken kannst du gar nicht ...), erklärt er mir, er sei als Compan(schruzeldrauf)ero für Pilger unterwegs und dafür da, mir zu helfen. Uuuups, da habe ich wohl etwas ... falsch gedacht. Ich radebreche mir einen ab, dass ich gerne mit dem Boot nach Pontecesures mitfahren möchte und noch keinen Fahrschein habe. Oh, den würde ich nur in der Herberge bekommen und ich soll ihm einfach folgen. - Nee, ne! Da komme ich doch gerade her und da ist zu und niemand da. Und ich hätte so gerne endlich eine Tasse Kaffee!

 

Es hilft nix, er ist nett, sehr nett ... und sehr nachdrücklich. Zum Glück bieten mir die Australier an, dass ich gerne meinen Rucksack bei ihnen lassen kann. So watschel ich also hinter dem Pilgerbegleiter her zurück zur Herberge, die noch genauso verschlossen ist, wie vorher. Aaaber Companero braucht keinen Zettel mit Telefonnummer, die hat er nämlich in seinem Handy und ruft den Hospitalero an, der sofort zusagt, in fünf Minuten da zu sein.

 

Fünf Minuten sind nun allerdings in Spanien ... Aber das weiß ich ja schon und beschließe mich in Geduld zu üben. Es bleibt mir eh nix anderes übrig. Es können auch nicht viel mehr als fünf Minuten sein, da kommt der Hospitalero, verkauft mir mein Ticket und erklärt mir, dass das Boot erst eine Stunde später fährt als ursprünglich geplant. Na, das ist fein, dann habe ich noch ganz viel Zeit für eine Tasse Kaffee und für die gehe ich wieder zu den Australiern und meinem Rucksack zurück und entspanne mich langsam.

 

 

Der Bootsfahrer ist auch pünktlich da und lässt uns einsteigen, aber dann dümpeln wir noch 45 Minuten durch den Hafen, weil eine Pilgerin, die auch mitfahren möchte, eingeschlafen und nicht wieder rechtzeitig aufgewacht ist. 45 Minuten warten wir auf sie, 45 Minuten, in denen der Skipper nicht ein brummeliges Wort verliert - das wäre in Deutschland schlicht und ergreifend nicht vorstellbar! Und denkt nicht, dass er es jetzt eilig hätte! Er nimmt sich alle Zeit der Welt, zeigt uns die Muschelbänke, den Platz, an dem das Boot mit dem Heiligen Jakobus anlegte, erzählt uns von den Wikingerspielen, die alljährlich in der Bucht stattfinden ... Er ist einfach klasse und diese Fahrt wirklich eines meiner Highlights auf dem Weg!

 

Von Pontecesures ist es nicht weit nach Patrón, wo ich direkt zum Busbahnhof stapfe. Vielleicht komme ich ja irgendwie noch heute wieder zurück nach Pontevedra. Ich muss zwar ein bisschen warten, aber das ist gar nicht schlimm, dann kommt der Bus ... und im Bus kommt bei mir der Schlaf. Irgendwie war doch alles ein bisschen anstrengender als ich mir zugestehen wollte. Als mich der einzige Fahrgast, der außer mir noch im Bus ist (beim Abfahren waren es aber ganz viele), weckt, stehen wir fast ganz genau vor der öffentlichen Herberge. Das ist fein! Und das Heilige Jakobchen meint es noch viel besser mit mir: Ich darf als Einzige in einem riesigen Schlafsaal schnurcheln (wahrscheinlich, weil ich genau das Pilgerchen bin, das den anderen Raum zum Überlaufen gebracht hätte). Es ist mir zwar ein bisschen unangenehm, aber ich ergreife diese Gelegenheit nur zu gerne beim Schopf ... und stehe gleich darauf ein bisschen hilflos in meinem Einweibschlafsaal. Da stehen 20 Stockbetten. Ich habe also 40 Schlafplätze. Für welchen soll ich mich da nur entscheiden! - Ha! Andere sind stolz darauf in vier Tagen über fünf Inseln gehoppt zu sein, ich kann in nur einer einzigen Nacht Bettenhopping machen ... und das 40fach!